Schon seit geraumer Zeit ist das Thema viel umstritten und es gibt viele verschiedene Aussage und Ansichten zur Sinnhaftigkeit vom Dehnen. Mittlerweile herrscht zu diesem Thema mehr Klarheit, weshalb es uns wichtig ist, dies zu teilen. So können Fehler beim Dehnen vermieden werden, die anschliessend vermehrt zu körperlichen Beschwerden führen können. Zudem wird es häufiger vorkommen, dass wir Dehnübungen für zuhause mitgeben. Um besser zu verstehen, wieso wir dies tun, soll dieser Blog einen Einblick geben.
Wieso dehnt man überhaupt? Um beweglicher zu werden? Um Muskelkater und Verletzungen vorzubeugen? Oder einfach nur, weil es dazu gehört? Beim Dehnen geht es in erster Linie darum, die Beweglichkeit zu verbessern. Wieso? Hier ist das Problem: Grundsätzlich haben wir im Körper Muskeln, welche eher zu erhöhtem Tonus (=Muskelspannung) und Verkürzung neigen, die sogenannte tonische Muskulatur, und andere, sogenannte physische Muskeln, welche eher zur Abschwächung neigen. Ob Muskeln zur physischen oder zur tonischen Muskulatur zählen, hängt von der Zusammensetzung der unterschiedlichen Muskelfasertypen innerhalb eines Muskels ab.
Haben wir eine verkürzte Muskulatur, liegt entweder eine Verkürzung des Bindegewebes vor, das die Muskulatur umgibt, oder ein sogenannte Sarkomerverkürzung. Sarkomere sind einzelne Bausteine in der Muskulatur, die hintereinandergeschaltet sind und bei Nichtgebrauch abgebaut werden. Dies geschieht aber nur, wenn wir uns lange Zeit nicht über unser volles Bewegungsausmass bewegen (deshalb ist die Asusführung mit vollständigem Bewegungsausmass bei Übungen besonders wichtig!).
Zur Verkürzung neigen Muskeln, welche vermehrt Typ-I-Fasern enthalten (Slow-Twitch-Fasern). Sie sind für langsame Bewegungen zuständig und können dafür stundenlang arbeiten. Muskeln, die dazu zählen, sind der Hüftbeuger, der vordere und hintere Oberschenkelmuskel und die Adduktoren.
Zur Abschwächung neigen sogenannte Muskeln, welche vermehrt Typ-II-Fasern beinhalten (Fast-Twitch-Fasern). Diese Muskeln arbeiten sehr schnell, dafür nur für kurze Zeit, und können sehr viel Kraft generieren. Ein Beispiel ist die Gesäss- und obere Rückenmuskulatur. Wenn wir unsere Muskulatur aufgrund unserer Belastungs- und Bewegungsmuster zu einseitig belasten, z.B. durch langes Sitzen im Büro (8h pro Tag, 5 Tage pro Woche) oder weil wir beim Fussball viel häufiger mit dem rechten Bein passen, flanken und schiessen, können gewisse Muskeln verkürzen oder abschwächen. Dies ist mitunter ein Grund, wieso beispielsweise viele Büroleute über Nackenspannungen und Rückenschmerzen klagen. Der Hüftbeuger verkürzt dann vielleicht, weil die Beine 22-24 von 24 Stunden pro Tag angewinkelt sind (8h Büroarbeit, 8h Schlaf in der Embryoposition, und 4h beim Autofahren, beim Sitzen auf dem Sofa und am Esstisch, etc.). Dies führt zu erhöhtem Tonus (Spannung) im unteren Rücken, weil jetzt die Rückenstrecker für den verkürzten Hüftbeuger kompensieren müssen, und kann schlussendlich zu den erwähnten Rückenschmerzen führen. Wieviel hilft es eigentlich, zweimal pro Woche 5 Minuten zu dehnen, wenn ich fast 24 Stunden pro Tag den «Fehler» verstärke? Wir lassen die Frage mal noch offen…
Es gibt verschiedene Arten, zu dehnen. Zwei davon sind weitgehend bekannt, das statische und das dynamische Dehnen. Beim dynamischen Dehnen wippt man wiederholt in die Dehnung rein (und wieder raus), beim statischen Dehnen hält man die Position für eine bestimmte Dauer. Vor dem Training oder ausführen von anderen Übungen, solltest du nicht dehnen und schon gar nicht statisch. Beim statischen Dehnen will man die Beweglichkeit passiv erhöhen und die Spannung aus der Muskulatur nehmen. Vor dem Training wollen wir jedoch genau das Gegenteil erreichen, wir wollen die Muskulatur aktivieren und auf die kommende Arbeit vorbereiten. Statisches Dehnen vor dem Training erhöht die Verletzungsgefahr!
Wenn du statisch dehnen willst, dann bitte nach dem Training und/oder an Tagen, an denen du dich ausschliesslich dehnen möchtest.
Soll ich denn jetzt überhaupt dehnen?
Neuere Studien haben ganz klar gezeigt, dass vor allem Krafttraining zu einer verbesserten Beweglichkeit führt. Krafttraining konnte im Vergleich zum Dehnen sogar einen besseren Effekt auf die Beweglichkeit aufzeigen, ganz zu schweigen von den zusätzlichen Vorteilen, die du durch das Krafttraining geniessen darfst, wie den Kraftzuwachs, eine verbesserte Knochendichte, effektive Verletzungsprophylaxe und Schmerzreduktion, um nur ein paar der vielen Vorteile zu nennen.
Hast du jedoch aktuell Beschwerden und hast vorher kaum Krafttraining oder anderen Sport betrieben? Dann empfehlen sich natürlich gezielte Dehnübungen um die Beweglichkeit langsam wieder aufzubauen, die Beschwerden zu verringern und dann im Anschluss wieder (vermehrt) Sport zu machen.
Wichtig:
Damit Krafttraining auch wirklich einen positiven Effekt auf die Beweglichkeit hat, sollten alle Übungen im vollständigen Bewegungsausmass ausgeführt werden!
Gerade zu Beginn ist dies meist noch nicht möglich, hierzu eignen sich dann natürlich Dehnübungen umso mehr.
Jetzt stellen sich natürlich noch zwei entscheidende Fragen:
1. Wie oft sollte ich dehnen?
2. Was soll ich denn überhaupt dehnen?
«Wie oft sollte ich dehnen?»
Zur ersten Frage: Wenn die Dehnübungen prophylaktischen (vorbeugenden) Charakter haben, reichen ein paar gezielt ausgewählte Übungen drei Mal pro Woche, optimaler Weise nach einer Sporteinheit. Wenn deine Muskulatur bereits verkürzt ist, genügt das leider nicht mehr. Ein Schaden, der über Jahre hinweg entstanden ist, und über die meiste Zeit des Tages und der Nacht, während den meisten Wochen des Jahres weiter ‘gepflegt’ wird, lässt sich nicht mit dreimal pro Woche kurz dehnen wieder ausmerzen.
Die Empfehlung für verkürzte Muskulatur lautet deshalb: 3-5x 30 Sekunden/Muskel, 3-5x/Tag, jeden Tag.
Der Effekt, also die erhöhte Beweglichkeit, und im Idealfall die entsprechende Schmerzlinderung und Lebens- und Alltagsverbesserung, kann glücklicherweise einfach etwas beschleunigt werden. Mehr Bewegung ist gefordert! Und zwar im Alltag! Tagein, tagaus führen wir Bewegungen durch, die wir ganz einfach dazu verwenden können, unsere Beweglichkeit zu fördern, entscheidend ist wieder, dass man aufs ganze Bewegungsausmass geht. Ein paar Beispiele:
· 3 Treppenstufen in einem Satz nehmen
· Aufrecht gehen und grosse Schritte dabei machen
· Die Wäsche auf dem Boden zusammenlegen oder mal vom Schneidersitz aus TV schauen
Grundsätzlich geht es ein bisschen darum, nicht immer den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen, schliesslich müssen wir in der heutigen Zeit mit unserem Körper nicht immer auf Sparflamme sein.
«Was soll ich denn überhaupt dehnen?»
Und nun zur zweiten Frage: Es ist natürlich immer sinnvoll, sich von jemand Professionellem, z.B. bei uns oder unserem Partner von Stronger Coaching, untersuchen zu lassen, um die eigenen Defizite klar aufgezeigt zu bekommen. Ein paar Körperregionen und Muskelgruppen sind aber bei vielen Menschen in verkürzter Fassung erkennbar, weshalb wir trotzdem ein paar generische Muskelpartien nennen können:
· Gesässmusklatur
· Iliopsoas (Hüftbeuger)
· Quadrizeps und Hamstrings (vorder und hintere Oberschenkelmuskulatur)
· Adduktoren (innere Obeschenkelmuskulatur)
· Wadenmuskulatur
Wenn du noch keine Übungen kennst, um diese Muskeln zu dehnen, hilft eine kurze Internetrecherche oder sprich uns einfach direkt an. Und bedenke: Um mit Dehnen die Beweglichkeit zu verbessern, braucht es in erster Linie zwei Dinge: Geduld und Disziplin. Sogar in Kombination mit Krafttraining dauert es Monate, bis man grosse Fortschritte macht, die sich aber auf lange Frist definitiv lohnen! In erster Linie ist es aber wichtig, anzufangen! Denn wenn erstmal ein Anfang gemacht ist, wird man selbst Fortschritt merken.
Möchten Sie mehr zu diesem Thema lesen? Siehe auch den Artikel zu Haltungsschäden durch Online Trainer Lizenz. Dort gibt es noch viele weitere interessante Artikel zu lesen!